Sa. Jul 27th, 2024

Die wichtigsten Ausstellungen in Berlin: Die Kunstwelt ist immer in Bewegung. Was es Neues gibt, was sich weiter lohnt und wo ihr noch unbedingt hin müsst, bevor es zu spät ist, lest ihr hier. Claudia Wahjudi und Ina Hildebrandt geben Tipps für neue Kunst und aktuelle Ausstellungen in Berlin – und für letzte Chancen, bevor es zu spät ist.

Einige Ideen zu dem Kunstparcours, so sagte Co-Kuratorin Joanna Warzsa beim Presserundgang, seien ihr gekommen, als sie stundenlang am Rand von Spielplätzen saß. Eltern kennen diese Müßige Zeit, in der die Kleinen sich im Sand vergnügen. Folgerichtig hat der „Radical Playground“, den Warzsa zur Fußball-EM der Männer gemeinsam mit den Benjamin Foerster-Baldenius vom Architekturbüro Raumlabor unter den Platanen des Parkplatzes am Gropiusbau aufbauen ließ, das Potenzial, Kinder wie Erwachsene zu beglücken. Pavillons und Spielstationen von 16 internationalen Künstler:innen und -gruppen, unter ihnen Tomás Saraceno, Florentina Holzinger und Raul Walch, ergeben nun einen Rundgang, der Regeln in Sport und Spiel humorvoll und kritisch hinterfragt. Die Themen reichen von der Zulassung von Frauen zu bestimmten Sportarten bis zur Geschichte des Ortes. Der Parkplatz befindet sich dort, wo einmal das Königliche Museum für Völkerkunde stand. Auch eine Dokumentarschau zur Geschichte deutscher Spielplätze gehört dazu. Wenn das Wetter mitspielt, können Erwachsene wie Kinder auf diesen „Radical Playgrounds“ ganze Tage verbringen.

  • Gropius Bau ParkplatzStresemannstr. / Ecke Niederkirchnerstr., Kreuzberg, Mi–So 11–20 Uhr, Eintritt frei, Anmeldung zu Workshops und Performances hier, bis 14.7.

Wer dachte, die Arbeiten von Kader Attia zur Genüge zu kennen, wird in der Berlinischen Galerie überrascht. Zwar folgt der französisch-algerische Künstler auch hier dem Motto „Reparatur“, unter dem er seine Arbeiten 2013 in den Kunst-Werken Berlin und 2012 auf der Documenta vorstellte. Auch in seiner Eigenschaft als Kurator der vergangenen Berlin Biennale blieb er ihm treu. In der Berlinischen Galerie bringt er noch einmal auf den Punkt, was er meint, und erweitert zugleich seine Perspektive. Im ersten Raum lässt er eigene Skulpturen in Gestalt von Porträts verstümmelter Soldaten ein radikales Plädoyer gegen jeden Krieg halten: Die Verwundeten scheinen gemeinsam mit den Besuchenden einen Ausschnitt aus Abel Gance Antikriegsfilm „J’accuse“ (1938) zu sehen. Im zweiten Saal (ähnlich wie auf dem Foto) stehen Repliken von Beutekunst aus kolonialen Kontexten, die Frankreich noch immer besitzt. Dazu läuft ein spannender Zusammenschnitt von Interviews, die Attia mit Expert:innen sowie Nachfahr:innen von Betroffenen auf europäischer und afrikanischer Seite geführt hat. Ein starkes körperliches und intellektuelles Erlebnis.

  • Berlinische Galerie Alte Jakobstr. 124–128, Kreuzberg, Mi–Mo 10–18 Uhr, 10/ 6 €, bis 18.J. + 1. So/ Monat frei, online, bis 19.8.

„Live Stream“ bei FluentumFoto: Stefan Korte
Installationsansicht von „Live Stream“, bei Fluentum, 2024, Foto: Stefan Korte

Zu Fluentum hinauszufahren, ist immer so eine Sache: Nicht, weil es weit wäre, die U-Bahn hält direkt um die Ecke am Oskar-Helene Heim. Sondern weil Ausstellungen aus der Video-Sammlung des Software-Unternehmers Markus Hannebauer in einem Gebäude stattfinden, das als Sitz des nationalsozialistischen „Luftgau“-Kommandos diente, dessen wuchtige Architektur genauso aussieht. Nach dem zweiten Weltkrieg nutzen es die US-Streitkräfte als Hauptquartier. Sven Johne zeigte im vergangenen Herbst hier Sven Johne die erste Ausstellung, die Gebäude und Geschichte gewachsen war: Sein Film „Das sowjetische Hauptquartier“ thematisierte Systemwechsel und deutsche Militärgeschichte am Beispiel einer verlassenen Brandenburger Villa. Jetzt arbeiten in einer Gruppenausstellung fünf Künstler:innen gegen die Überwältigungsarchitektur des Hauses an. Patricia L. Boyd, Jason Hirata, Nina Könnemann, Michael E. Smith und Matt Walch haben aus ihren Werkfundi Arbeiten ausgewählt, die so etwas wie eine Demokratisierung des Foyers versuchen. Das gelingt streckenweise ganz gut, vor allem dank Matt Walchs ramponierten Sofas (Foto) und seiner Videoarbeit zur Immobilienwirtschaft. Sie machen heutige antidemokratische Tendenzen im Wohnsektor fühlbar.

  • Fluentum Clayallee 174, Zehlendorf, Fr 11–17, Sa 11–16 Uhr, www.fluentum.org, bis 27.7.

„Oscilations“ in der Akademie der Künste

Foto: Mutesouvenir
Einblick in „Oscillations“ in der Akademie der Künste am Hanseatenweg, Foto: Mutesouvenir

Zehn Künstler und Künstlerinnen trafen sich an der Universität von Kapstadt, um gemeinsam Klänge zu erforschen. Was sie dort erforschten, aufnahmen und mixten, ist nun in der Akademie der Künste am Hanseatenweg zu sehen und zu hören – teils frei im Raum, teils unter ausleihbaren Kopfhörern. Manches wirkt großartig und doch feinfühlig wie Nkosenathi Koelas filigrane Klangkonstellation: Sie führt diejenigen, die ein flaches Podest betreten, aus dem Hier und Jetzt in kosmische Sphären. Christina Kubischs kleines Mischpult erfordert Zusammenarbeit zwischen den Besuchenden, die es ausprobieren wollen. Anderes erschließt sich nur schwer wie Denise Onens Klangfeld, das durch Bewegung von Körpern aktiviert werden soll. Auffällig aber bleibt: Während sich die Teilnehmenden aus Südafrika Klangphänomenen gleichsam von innen nähen, wählen die Europäerinnen einen Zugang von außen. Sehr anschaulichsten wird das in der multimedialen Klanginstallation von Kirsten Reese: Ihre Mindmaps und Collagen machen Gedanken und Wege der Berliner Komponistin transparent.

  • Akademie der Künste Hanseatenweg 10, Moabit, Di–Fr 14–19, Sa/So 11–19 Uhr, 9/6 €, bis 18 J., Di + 1.So/ Monat frei,  online, bis 19.5.

Mark Grotjahn: „Kitchens“ in der Galerie Max Hetzler© Mark Grotjahn, courtesy the artist and Galerie Max Hetzler, Berlin | Paris | London | Marfa. Foto: def image
Ausstellungsansicht „Kitchens“ von Mark Grotjahn in der Galerie Max Hetzler, Berlin, © Mark Grotjahn, courtesy the artist and Galerie Max Hetzler, Berlin | Paris | London | Marfa. Foto: def image

Er zählt zu Malerstars des internationalen Kunstmarkts: Mark Grotjahn aus Kalifornien stellt bei Max Hetzler in der Potsdamer Straße aus. In der ehemaligen Druckereihalle können seine repetitiven Bilder überzeugen: Hochformat an Hochformat reihen sich die zweifarbigen Zeichnungen, in denen sich Strahlen an einer waagerechten Achse zu spiegeln scheinen. Das sieht auf den ersten Blick aus, als wäre ein von kommunistische Grafiker:innen gezeichneter Sonnenaufgang in kapitalistische Op-Art verwandelt worden. Auf den zweiten Blick gibt sich die Raffinesse der Farben zu erkennen: Unter dem sich verändernden Tageslicht spielen sie gekonnt zusammen. Und auf den dritten Blick, wenn man ganz nah an die Bilder herantritt, zeigen sich in den schmalen Strahlen Spuren von andersfarbigen Stiften – wie Staub auf einem Fotoabzug. Es handelt sich um Striche, die bei der Arbeit an einem Vorgängerblatt entstanden: Grotjahn zeichnet auf Stapeln von Papier.

  • Galerie Max Hetzler Potsdamer Str. 77–87, 1. Hof, Di–Sa 11–18 Uhr, online, bis 8.6.

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