Fr. Okt 11th, 2024
Sexuelle Gewalt gegen Kinder, organisierte Kriminalität, Hass und Hetze: Für die Fahndung im Internet fordern Ermittler seit langem die präventive Speicherung von IP-Adressen. Für eine Gesetzesinitiative aus Hessen sind aber nicht nur die juristischen Hürden hoch.

Einerseits die Fahndung nach Straftätern im Internet, andererseits das Recht auf Privatsphäre und Datenschutz: In diesem Spannungsfeld wird seit mehr als einem Jahrzehnt über die anlasslose Speicherung von IP-Adressen aller Nutzer gestritten.

In der Auseinandersetzung um die sogenannte Vorratsdatenspeicherung wird Hessen kommende Woche im Bundesrat eine Gesetzesinitiative einbringen. Anders als derzeit sollen demnach die Internetanbieter verpflichtet werden, die IP-Adressen aller Nutzer ohne jeden Anlass für den Fall von Ermittlungen vorzuhalten – und zwar einen Monat lang.

“Datenschutz darf kein Täterschutz sein”, sagte Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) am Freitag zur Begründung. In der Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität (ZIT) in Frankfurt stellte er gemeinsam mit seinem Justizminister und Parteikollegen Christian Heinz den Gesetzentwurf vor. Der Gedanke daran, wie viele Täter mangels IP-Adressen-Speicherung nicht gefasst würden, ist für Rhein nach eigenen Angaben “unerträglich”.

Bei schweren Straftaten

Die Initiative hatte die seit Januar amtierende schwarz-rote Landesregierung im Koalitionsvertrag vereinbart. Strafverfolger fordern die Vorratsdatenspeicherung wegen des Anstiegs der Internetkriminalität. Greifen soll die IP-Adressenspeicherung laut Justizminister Heinz vor allem bei sexueller Gewalt gegen Kinder, aber auch weniger schweren Straftaten im Internet wie Hass-Postings, Volksverhetzung und Betrug.

Der Europäische Gerichtshof hat dem Vorhaben allerdings sehr enge Grenzen gesetzt. Der politische Widerstand ist erheblich. Im Bundesrat und im Bundestag ist eine Mehrheit für den hessischen Gesetzentwurf unwahrscheinlich.

Das muss man wissen, um den neuen hessischen Anlauf in dem seit mehr als einem Jahrzehnt andauernden Streit zu verstehen:

1. Was es mit der IP-Adresse auf sich hat

Wer mit dem Handy oder per PC ins Internet geht, dem weist der Anbieter dafür eine Internet-Protokoll-Adresse zu, die IP-Adresse eben. Diese Kombination aus Zahlen und Buchstaben ist so eine Art Hausnummer und macht die Verbindung zu den Geräten erst möglich.

Derzeit gibt es keine Pflicht für die Provider, die IP-Adressen eine Zeit lang zu speichern. Wenn sie es tun, dann zu eigenen Geschäftszwecken. Das wird sehr unterschiedlich gehandhabt, wie das Bundeskriminalamt (BKA) in Wiesbaden im vergangenen Jahr berichtete: Bis zu sieben Tage speicherten demnach Telekom, Vodafone oder 1&1 die Daten. Freenet hielt sie gar nicht fest.

2. Was die Vorratsdatenspeicherung bringen soll

Es ist also sehr vom Zufall abhängig, ob die Fahnder noch digitale Spuren finden – und um welche es sich handelt. Ob Bundeskriminalamt, Landeskriminalamt (LKA), Staatsanwälte oder Polizeigewerkschaft: Die Vorratsdatenspeicherung fordern Strafverfolger deshalb einhellig.

Ihr Argument macht sich auch die hessische Bundesratsinitiave zu eigen: Die Internetkriminalität steigt rasant an. “Wir haben bei vielen dieser Straftaten die Situation, dass wir ausschließlich über die IP-Adressen die Täter identifizieren können”, sagte Justizminister Heinz.

Holger Münch, BKA-Chef in Wiesbaden, hat deshalb wiederholt die Forderung nach einer Vorratsdatenspeicherung mit Zahlen untermauert: Die Erfolgsquote der Fahnder steige dann “signifikant”. Anhand der vielen Missbrauchsfälle, die von Providern aus den USA nach Deutschland gemeldet werden, rechnet er vor: Tatverdächtige könnten schon bei einer zweiwöchigen Vorratsdatenspeicherung der IP-Adressen in 80 Prozent der Fälle identifiziert werden. Bisher gelinge das lediglich in 41 Prozent der Fälle.

Ein Viertel von 90.000 gemeldeten Verdachtsfällen habe das BKA im Jahr 2022 nicht weiterverfolgen können. Gleichzeitig steige die Zahl der Fälle auf diesem Gebiet enorm.

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